Gota Abu Kalawa gehört zu einer Riffgruppe, die allgemein „Abu Kalawa“ heißt. Es gibt eine größere Riffformation, an denen es die Ankerplätze „Ras Abu Kalawa“, „Shaab Abu Galawa“ und „Marsa Abu Kalawa“ gibt. Westlich dieser Formation liegt ein einzelnes Korallenriff, das „Gota Abu Kalawa“ genannt wird.
Bisher waren unsere Tauchgänge im Roten Meer stets so gewesen, dass wir irgendetwas zur Orientierung hatten, ein Riff oder eine Riffkante, an der man entlang tauchen konnte (einzige Ausnahme bildete der Drifttauchgang, doch hier brauchte man keine Orientierung, da uns das Schiff hinterher wieder abholte). Bei Gota Abu Kalawa allerdings bot das Riff an der Stelle, an der wir ankerten, selbst nicht so viel Sehenswürdigkeiten. Man machte die Taucher daher aufmerksam auf zwei größe Korallenblöcke, die sich ein Stück vom Ankerplatz weg im offenen Wasser befanden. Diese Korallenblöcke befanden sich sozusagen „im freien Feld“, sie ragten nicht aus dem Wasser und es gab in ihrer Nähe keine Struktur, der man hätte folgen können. Einer der Instructors meinte, es sei ganz einfach, man müsse nur vom Boot aus „geradeaus“ schwimmen, und dann von den Blöcken aus genauso „geradeaus“ wieder zurück. Das hinterließ bei mir ein mulmiges Gefühl, denn die Blöcke waren weiter weg vom Boot, als das Rote Meer an Sichtweite hergab, selbst bei weitester Sicht. Man würde sie also beim Boot nicht sehen, und genausowenig würde man das Boot von den Blöcken aus sehen. Insofern war „geradeaus“ eine ziemlich relative Angabe, ohne Punkt, den man ansteuern und an dem man sich orientieren konnte. Ich beschloss, mich darauf nicht zu verlassen, nahm meinen Kompass zur Hand und peilte die Blöcke von der Plattform des Bootes aus an.
Wir tauchten in die Richtung, in der die Blöcke lagen und tatsächlich stießen wir genau drauf. Die Blöcke liegen direkt am Anfang eines Korallengartens, man könnte von dort aus auch noch weiter tauchen und einen Korallengarten erkunden, hatte man uns auf dem Boot gesagt. Uns jedoch reichten die Blöcke, die schon einen großen Fisch- und Korallenreichtum aufwiesen. Außerdem wollten wir es nicht riskieren, uns im völlig offenen Wasser, das hinter den Blöcken immer tiefer wurde, total zu verfransen. Also tauchten wir mehrmals um die beiden Blöcke und sahen uns alles genau an, bevor wir beschlossen, den Rückweg anzutreten.
Ich nahm also erneut meinen Kompass zur Hand und stellte den Umkehrkurs ein. Und dem versuchte ich zu folgen. Das war nicht ganz einfach, denn wir hatten eine leichte Strömung. Ich musste meine Strecke mehrfach korrigieren, da ich immer wieder von der Linie abwich. Gleichzeitig achtete ich darauf, Annette nicht abzuhängen. Noch dazu war die Sicht relativ schlecht. Bald schon verschwanden die Blöcke hinter uns in einem Nebel und es gab nichts, an dem man sich hätte orientieren können. Ich wurde ein wenig unruhig. Irgendwann war ich der Meinung, dass wir eigentlich schon am Ziel sein müssten, aber das Boot war nicht zu sehen. Wir schwammen weiter – und hatten auf einmal die Riffwand vor uns.
Das konnte doch nicht wahr sein! Ich war dem Kurs doch so gut gefolgt, wie es ging, das @#$!-Boot musste doch da irgendwo sein! Aber es war nichts zu sehen. Damit hatten wir ein Problem. Zwar hätten wir nur der Riffwand folgen müssen, um schließlich irgendwann zum Boot zu kommen, aber in welche Richtung? Wenn ich uns am Boot vorbei navigiert hatte, konnte dies rechts oder links von uns liegen. Ich nahm den Kompass nochmal her. Die Peillinie stimmte doch, also wo lag der Fehler? Annette wollte schon auftauchen und sich an der Oberfläche einen Überblick verschaffen. Ich blickte nach oben und endlich entdeckte ich ein Seil, das am Riff befestigt war. Die Tauchboote machten an solchen Seilen fest, damit sie nicht Anker werfen mussten. Ich folgte dem Seil mit den Augen. Es ging genau in unsere Richtung an der Wasseroberfläche, dann verlor es sich aufgrund der schlechten Sicht. Ich sah angestrengt nach oben…
…und auf einmal konnte ich senkrecht über uns schemenhaft den Bug der ABYDOS 2 ausmachen. Wir waren genau darunter!! Offenbar hatte der Weg, den ich getaucht war, uns in einem leichten Bogen an das Boot herangeführt, so dass wir nicht an dessen Heck herausgekommen waren (wo wir das Seil mit der Notfall-Pressluftflasche hätten sehen müssen), sondern weiter vorne. Und die Sicht war so schlecht, dass man aus unserer momentanen Tiefe von etwa 5 m das Boot nicht ohne weiteres erkennen konnte. Ich machte Handzeichen zu Annette, dass sich das Boot direkt über uns befand, aber sie verstand mich zunächst nicht. Oder sie wollte es nicht glauben. Um sie zu überzeugen, deutete ich ihr an, dass sie mir folgen sollte und schwamm in Richtung des Hecks. Und tatsächlich, da waren plötzlich die Seile zu sehen, die dort befestigt waren. Nachdem wir nun wussten, dass wir richtig waren, erkundeten wir noch das Riff und bekamen unter anderem eine weiße Baby-Muräne zu sehen.
Annette: Die Schwierigkeit der Navigation lag darin: Ansonsten hat man immer das Riff als Orientierung gehabt, entweder Riff Schulter rechts auf dem Hinweg und links auf dem Rückweg oder umgekehrt. Dieses Mal tauchten wir allerdings über „freies Land“. Alles sah gleich aus. Und die Strömung war nicht zu unterschätzen. Hinzu kam die schlechte Sicht. Da ich selber schon schlechte Erfahrungen mit Kurs und Umkehrkurs gemacht hatte war ich mir nicht mehr sicher. Wir hätten zumindest die Bootsleinen oder den Anker sehen müssen. Auf die Idee, dass wir einen Bogen schwimmen, bin ich nicht gekommen. Und plötzlich war so eine Art „Kante“ zu sehen, danach war es deutlich tiefer. Die Stelle kannte ich nicht. Deshalb schwammen wir zur Riffwand.
Thorsten deutete zwar nach oben, aber das einzige, was ich sah, war ein Stück abgerissenes Tau, was auf der Wasseroberfläche am Riff trieb. Sah aus wie ein Stück Leine, von dem sich ein Boot mal losgerissen hat. Die lange Leine neben dran sah ich nicht. Ich war wirklich nervös, denn ich wollte nicht unbedingt im offenen Meer verloren gehen. Gut, wir haben ne Boje, aber das muss nun wirklich nicht sein.
Thorsten aber blieb vehement bei der Ansicht, dass er richtig war. Er deutete nach oben und mir fuhr der Schreck in die Knochen. Direkt über uns war ja das Boot! Man konnte die Umrisse sehen. Und dabei waren wir noch nicht mal tief, maximal 7 Meter würde ich sagen. Die Dekoflasche baumelte fast über dem Grund. Das war ja der Hammer! Aber die Sicht war wirklich schlecht. Ziemlich diesig.
Zurück an Bord sahen wir uns die Strecke zu den Blöcken nochmal an. Man konnte sie von der Oberfläche aus erkennen und nichts deutete darauf hin, dass die Sicht unter Wasser so schlecht war. Eines jedoch hatte ich beim Navigieren festgestellt: Mein Kompass hatte ein Armband, mit dem man ihn am Handgelenk befestigte. Da man ihn zum Navigieren vor dem Gesicht in einer bewegungslosen Position halten musste, musste ich mit angewinkelten linken Arm schwimmen, was auf die Dauer unangenehm war. Daran wollte ich etwas ändern – gleich nach der Rückkehr von Ägypten.
Memm doch jetzt wegen dem Arm nicht so rum! Dieser Arm war wahrscheinlich unsere Rettung. Der Nachteil der Konsole ist, dass man sie ständig grade halten muss. Und wenn man nicht ständig drauf achtet, könnte ja vielleicht da mein Kursproblem herrühren.
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