Am 18. Juli 2024 fand in der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin in Anwesenheit des Botschafters der Republik Guatemala, S.E. Jorge Alfredo Lemcke Arevalo, die feierliche Übergabe zweier Repliken an das guatemaltekische Museo Comunitarío Yalambojoch statt. Die von der Gipsformerei in Handarbeit angefertigten Gipsabgüsse von Objekten aus der Sammlung des Ethnologischen Museums dienen zukünftig der Vermittlung von lokalem indigenen Wissen.
Die Übergabe der beiden Repliken ist Teil eines langfristig angelegten Kooperationsprojekts zwischen dem Ethnologischen Museum und dem Verein „Associación Awum Te“ als Träger des lokalen Gemeindezentrums in Yalambojoch, Guatemala. Der Verein betreibt das aus einer indigenen Initiative 2018 entwickelte Gemeindezentrum als kulturelles Forum für die lokalen Communities. Derzeit erarbeitet der Verein die Konzeption für ein innerhalb des Gemeindezentrums verortetes Museum, das Wissensvermittlung zur lokalen Geschichte mit museumspädagogischen Angeboten zur regionalen Kultur verbinden soll.
Bei den beiden Repliken handelt es sich um Gipsabgüsse zweier auf die Zeit um 800 – 900 datierter Sandsteinobjekte, eines Sonnensteins aus dem sogenannten Sonnentempel sowie einer Ahnenfigur mit Halsschmuck. Von beiden Steinobjekten fertigte der Altamerikanist und ehemalige Direktor der Amerikanischen Abteilung des Berliner Museums für Völkerkunde (heutiges Ethnologisches Museum), Eduard Georg Seler, noch vor Ort in Guatemala sogenannte Papierabklatsche an, also negative Gussformen aus Papier, aus denen in Berlin Gipsabgüsse gegossen wurden. Auf Grundlage dieser Abgüsse erstellte die Gipsformerei beständige Gipsstückformen, die bis heute zur Reproduktion in der Werkstatt verwendet werden können. Die von Seler abgeformten Objekte wurden im Jahr 1900 erstmals offiziell zum Verkauf angeboten, gehören aber zu den eher unbekannten Teilsammlungen der Gipsformerei. Da beide Steinobjekte nicht mehr erhalten sind, liefern die historischen Formen ein „Back-Up“ in Gips: Die Sonnenscheibe wurde von Seler auch im Original ausgeführt, gilt seit 1944 jedoch als Kriegsverlust. Die Steinfigur wurde nicht ausgeführt, gilt aber ebenfalls als verschollen. Die Übergabe der beiden Repliken ist eine der ersten „Rückgaben“ der Berliner Museen, die in Form von Gipsabgüssen erfolgte und damit deren große Bedeutung im Kontext eines geteilten Erbes sichtbar macht.
Bestandteil des Kooperationsprojekts zwischen dem Ethnologischen Museum und dem Verein „Associación Awum Te“ ist neben der Bereitstellung von Repliken unter anderem die Umsetzung eines Ausstellungskonzepts für das Museum in Yalambojoch unter Einbindung von konservatorischer Expertise des Ethnologischen Museums in Berlin. Ziel der Zusammenarbeit ist die Förderung des Austauschs über die eigenen kulturellen Traditionen in Yalambojoch und der Region, unter anderem durch Einbindung der örtlichen Schule in ein entsprechendes museales Vermittlungskonzept. Hierbei dienen Erkenntnisse aus der Forschung von Eduard Seler als Grundlage.
Yalambojoch ist heute ein Dorf mit ungefähr 2000 Einwohner*innen in der Gemeinde Nenton im Departmento Huehuetenango in Guatemala. Es liegt im Landesinneren Guatemalas, ca. 200 km Luftlinie nordwestlich von Guatemala Stadt an der Grenze zu Mexiko. Die Bevölkerung ist überwiegend indigen und spricht mehrheitlich die Maya-Sprache Chuj.
Die Chaculá-Sammlung des Ethnologischen Museums
Im Jahre 1896 besuchten der Altamerikanist und Historiker Eduard Seler und seine Frau Caecilie Seler-Sachs das heutige Guatemala. Dabei bereisten sie auch die Chaculá-Region sowie den Ort Yalambojoch und führten mit Erlaubnis von Gustavo Kanter, einem deutschstämmigen
Besitzer einer Finca mit größeren Ländereien, archäologische Untersuchungen und Ausgrabungen durch. Die auf diese Grabungen zurückgehende Sammlung vorspanischer Kultur der Chaculá-Region am Ethnologischen Museum zählt mit über 600 Objekten, darunter 25 Gipsabgüsse, zu den weltweit bedeutendsten ihrer Art.
Das Kollaborative Museum
Das Kooperationsprojekt findet innerhalb des „Kollaborative Museums“ (CoMuse) statt, einer Initiative des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, die darauf abzielt, multiperspektivische Ansätze zur sammlungsbasierten Forschung zu entwickeln und neue Formate für kollaborative Prozesse zu erproben, um die Dekolonisierung und Diversifizierung der Museumspraxis nachhaltig zu intensivieren.
Die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin
Die Gipsformerei ist die älteste Einrichtung der Staatlichen Museen zu Berlin. Als eine der wenigen noch aktiven europäischen Museumsformereien des 19. Jahrhunderts fertigt sie seit 1819 hochwertige Abgüsse von Bildwerken verschiedenster Epochen und Kulturen. Sie ist Manufaktur und Sammlung zugleich und bewahrt einen einzigartigen Schatz traditioneller Handwerkstechniken und historischer Objekte. In einem von der Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Forschungsprojekt hat die Gipsformerei zwischen 2020 und 2023 insgesamt 300 Formnummern und über 1.000 Formen und Modelle nach verlorenen Originalen der Berliner Museen erfasst und konservatorisch gesichert.
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
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