Wir waren gücklich aufgetaucht. Unverletzt. Unbeschadet. Wer hätte das gedacht!
Als ich die Treppe zum Tauchboot hochstieg nahm man mir die Flasche aus der Halterung. Oben angekommen entledigten wir uns erst mal der Tauchklamotte. Jetzt war relaxen angesagt. Wir sollten etwas essen, in der Zeit würden wir den zweiten Tauchplatz ansteuern, dann wäre der zweite Tauchgang dran.
Ich hatte diese Pause mehr als dringend nötig. Der Tauchgang an sich hatte mich nicht körperlich müde gemacht. Aber ich hatte meine „geistige Arbeit“ unterschätzt. Tatsächlich hatte mich das viele Denken und das Überwinden derart viel Kraft gekostet, dass ich ohne Umwege sofort in die Tiefschlafphase hätte übergehen können. So bin ich. Wenn ich geistig erschöpft bin, brauche ich Schlaf. 😀
Und den wollte ich auch. Das Essen interessierte mich nicht die Bohne. Thorsten wohl auch nicht. Wir stiegen aufs Deck, und ich legte mich auf einer Bank lang. Selbstverständlich als harmlose Sonnenanbeterin getarnt. Mußte ja keiner wissen, was in mir vor ging. Kaum hatte ich wohlverdient meine Lider von innen betrachtet da erklang schon die stets fröhliche Stimme unseres TLs. „Debriefing, Leute!“ De…was? Ach ja. Immer dieses Neudeutsch! Tauchnachbesprechung!
Ich hielt die Augen geschlossen. Unser Tauchlehrer hatte nicht wirklich viel an uns auszusetzen. Das war okay. Also hatte er nichts von meinen „Schwächen“ mitbekommen. Sehr gut. Er fügte noch hinzu, dass der nächste Tauchplatz ein (wrackfreies) Riff sei, und dass wir dort unsere Übungen machen würden. Aha. Darüber könnte ich nachher nachdenken, beschloss ich. Erst mal Ruhe.
Unser TL ging. Aber nicht lange. Nach zwei Minuten stand er wieder da. Ich wollte mich gerade fragen, ob er eigentlich kein zu Hause hätte, da rückte er mit der Neuigkeit heraus: „Planänderung, Leute! Wir waren hier länger als wir sein wollten (ganz meiner Meinung…) und daher steuern wir sofort den nächsten Platz an, gehen runter, und essen tun wir dann auf der Rückfahrt!“
Nachdem ich meine Ruhephase in Gedanken gestrichen hatte, ging es wieder treppab. Der nächste Tauchplatz war ganz in der Nähe. Ich zwängte mich in den nassen, kalten Neopren. Huh, war das ekelig. Dann ging es los.
Dieses Mal klappte alles problemlos. Thorsten sprang von der Plattform, und ich tauchte ab. Ohne mich ans Seil zu klammern. Ich kam mir schon vor wie ein Profi. Wir tauchen unserem TL hinterher, der uns zu einem sonnigen Riff führte. Hier war außer uns kein Mensch. Wir ließen uns für die Übungen auf den Meeresgrund sinken. Ich sah nach oben. Und auf meinen Computer. Wir waren gute 12 Meter unter Wasser. Na, so schlimm ist das doch nicht. Mein Blick fiel auf den Meeresboden. Interessant… es sah aus wie Sand, weißer Sand, den man vom Strand her kennt. Aber… hier war er viel gröber. Ich ließ den Sand durch die Finger gleiten. Da erhielt ich mal wieder einen Stoß. Thorsten versuchte mir mitzuteilen, dass unser TL seit einiger Zeit erfolglos probierte, meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das ist auch so eine Sache. Ich lasse mich zu sehr von der Umgebung faszinieren.
Jetzt konnten wir aber endlich beginnen. Die Anfänge klappten ganz gut. Dann passierte es:
Ich sollte die Brille fluten und ausblasen. Ich ließ Wasser in die Brille, da merkte ich, dass ich unpassenderweise niesen musste. Einen dümmeren Zeitpunkt hätte ich mir gar nicht aussuchen können. (Für die Könner: Nein, ich hab kein Wasser in die Nase bekommen! Ich musste einfach nur niesen!). Mir schossen Gedanken durch den Kopf. Ich musste innerhalb einer Sekunde handeln, das war mir klar. Aber… wie ist das? Wenn man niest? Man holt tief Luft! Über den Mund? Oder reflektorisch auch über die Nase? Das wäre ja schlecht, denn meine Nase badete gerade im Meerwasser. Und wenn ich jetzt niese? Beschleunige ich den Regulator nicht auf 100 km/h und spucke ihn jemand anderen ans Hirn? Ich musste diesen blöden Niesreflex unterdrücken, soviel war klar. Und zwar schnell.
Ich sprang aus dem Schneidersitz auf die Knie und „rollte“ mich ein. Mit der rechten Hand presste ich mir den Regulator in den Mund (ja nicht verlieren, falls ich doch niesen muss), konzentrieren!!!! konzentrieren!!! Ja nicht über die Nase Luft holen, mit der linken Hand wollte ich mir gerade an die Nase fassen, um das versehentliche Luftholen zu unterbinden, da spürte ich die Hand meines werten TLs auf meinem Arm. Nett gemeint. Entweder wollte er mich beruhigen, oder er wollte mich festhalten für den Fall, dass ich nach oben preschen will. Aber leider hinderte er mich daran, mir die Nase zu zu halten. Ich versuchte, ihm meinen Arm wegzureißen, aber dummerweise war er den Umgang mit mir inzwischen gewohnt. Der Griff blieb eisern. Ich weiß nicht warum, aber auf einmal war der Niesreflex weg. Gott sei Dank. Ich konnte die Brille ausblasen und dann war die Welt in Ordnung.
Eine nicht ganz ungefährliche Situation. Aber ich bin stolz, dass ich sie so gemeistert habe. Und wisst ihr warum? Ich habe in dem Moment wirklich nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, panisch nach oben zu steigen. Nicht eine Sekunde.
Nachdem wir unsere Übungen beendet hatten, durften wir noch ein bißchen „herumtauchen“. Doch bevor es dazu kam, hatten wir noch ein Erlebnis der besonderen Art. Zwei Delfine kamen angeschwommen. Sie umkreisten uns und hielten an, neugierig um zu sehen, wer wir waren. Unser TL fing an, die Tiere zu animieren, und tatsächlich, ein Delfin schwamm direkt auf uns zu und tauchte zwischen uns durch. Der andere, ebenfalls neugierig, schwamm zu der Stelle, an der wir gesessen hatten und wühle mit der Schnauze auf dem Boden herum. Offenbar wollte er „nachgucken“, was wir dort getrieben hatten.
Dann schwammen sie weiter. Leider. Nun ja. Unser TL winkte uns zum Riff. Dort sahen wir „Nemo“, einen kleinen Clownfisch, der aus einer Ritze kam. Er legte den Kopf schräg, erblickte uns und verschwand sofort wieder in seiner Behausung. Er fand uns wohl nicht sonderlich interessant. Ich nutze die Gelegenheit und tauchte ein bisschen weiter. Beim Umdrehen sah ich unseren TL wieder winken. Er wollte uns noch etwas zeigen. Thorsten war bereits vor Ort. Ich wollte ebenfalls sehen, was da los war, befand mich aber ein Stück weiter über den beiden. Ich ließ Luft aus dem Jacket und tauchte ab, merkte allerdings, dass das zu schnell ging. Um nicht den beiden Herren „auf der Nase herumzutanzen“ ließ ich wieder Luft rein, um meinen Abstieg abzubremsen. Was es dort zu sehen gab, hab ich nie erfahren, dank meiner professionellen Tarierkünste entging mir dieses Ereignis.
Schließlich war das Ende des Tauchganges nahe. Wir mussten noch den kontrollierten Notaufstieg üben, aber das wollte der TL mit jedem einzeln tun. Daher ließ er mich am Abstiegsseil „hängen“ und stieg mit Thorsten auf.Fla ( Ich „Angeberin“ hatte nämlich noch mehr Luft in meiner Flasche, die ich für schlechte Zeiten aufgehoben hatte!)Ich baumelte am Seil. Gerade wollte ich mich fragen, wie es mir da unten so ganz alleine denn ging, da kamen die Delfine zurück. Sie entdeckten mich und hielten an. Neugierig beobachteten sie mich, wie ich so alleine da „rumhing“. Schließlich kam der TL zurück und wollte mit mir aufsteigen. Aber ich wollte noch bleiben. Also tat er mir den Gefallen und schaute ebenfalls noch ein Weilchen zu. Nachdem sich die beiden Delfine überzeugt hatten, dass das Alphatier unseres Rudels wieder bei mir war, hielten sie ihre Aufsichtspflicht für überflüssig und begannen mit der Balz. Dazu drehte sich ein Tier auf den Rücken, das andere schwamm direkt drüber und streichelte seinen Artgenossen mit den Flossen.
Schließlich musste ich mich doch losreißen. Ich stieg mit meinem TL auf. Oben angekommen, sollten wir noch die Abschleppübungen machen. Da merkte ich plötzlich, dass mir die Ruhe, die ich dringend vorher gebraucht hätte, jetzt fehlte. Ich spürte, dass ich unkonzentriert wurde und eigentlich den Wunsch hatte, so schnell wie möglich aus dem Wasser zu kommen. Ich war müde. Totmüde, um genau zu sein. Und… interessanterweise, hatte ich über Wasser plötzlich den Eindruck, dass ich Luftnot hatte. Schwachsinn, ich hatte meinen Schnorchel und meinen Regulator, und selbst wenn mir die Wellen ins Gesicht schlugen, ich konnte doch problemlos atmen. Sagte ich mir. Trotzdem ließ mich das Gefühl nicht los, dass ich mich irre anstrengen musste, um über Wasser zu bleiben. Dabei konnte ich nicht untergehen. Es ging nicht! Also kratzte ich mein letztes bißchen Vernunft zusammen und machte die Übungen mit. Da bekam Thorsten noch einen Wadenkrampf. Aber auch das Problem bekamen wir in den Griff. Und jetzt durften wir endlich aus dem Wasser. Ich ließ mich von der Taucherboje zum Boot ziehen. Nach außen hin sah es so aus, als ob ich Spaß daran hätte, die Leute vom Boot lächelten mir zu. Innerlich war ich gottfroh, dass ich nicht schwimmen musste. Ich wollte nur noch raus. Raus raus raus!
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